Was ist Autophagie? - Geschichte der Autophagie - Bedeutung für die Gesundheit - Gezielter Einsatz der Autophagie? - Autophagie aktivieren - Autophagie-Fasten - Autophagie anregen durch gezielte Ernährung - Fazit
Autophagie ist ein natürlicher Prozess, bei dem die Zellen im menschlichen Körper ihre eigenen beschädigten Bestandteile abbauen und zum Teil wiederverwerten.
Die Autophagie – abgeleitet vom altgriechischen „autophagos“ = „sich selbst verzehrend“ – ist also ein Selbstreinigungs- und Regenerationsprozess, eine Art Recycling auf Zellebene: Die Zellen säubern sich von schadhaften oder fehlerhaften Bestandteilen und/oder nutzen sie für Aufbau- und Reparaturzwecke.
Vor 2016 war der Begriff Autophagie nur einem begrenzten Kreis von Medizinern und Wissenschaftlern oder allenfalls medizinisch besonders interessierten Laien bekannt. Das änderte sich, als der japanische Wissenschaftler Yoshinori Ohsumi 2016 für seine Arbeit zur Autophagie den Medizin-Nobelpreis erhielt.
Ohsumi hatte viele Jahre der Erforschung von Autophagie-Mechanismen gewidmet. Als Phänomen wurde Autophagie zwar schon in den 1960er-Jahren beschrieben und der Begriff wurde bereits in den 1970er-Jahren geprägt. Doch erst Ohsumi konnte zeigen, wie die Autophagie-Mechanismen tatsächlich ablaufen – und wie sie die Gesundheit des Menschen beeinflussen.
Durch Autophagie schützen und erneuern sich die Zellen. Daher wird dieser Selbstreinigungsprozess in vielen Veröffentlichungen mit Themen wie „Anti-Aging“ und Gehirngesundheit in Verbindung gebracht. Eine unzureichend funktionierende Autophagie kann sich Wissenschaftlern zufolge in vielfältigen gesundheitlichen Problemen äußern.
Prof. Dr. Frank Madeo von der Universität Graz geht davon aus, dass durch Autophagie der Gesundheitszustand insgesamt erhalten werden kann, weil damit Zellschäden, defekte Enzyme oder DNA-Mutationen bekämpft würden.
Einfach ausgedrückt: Wenn Zellen schadhafte Bestandteile enthalten, die ihre Lebensdauer beeinträchtigen und/oder sie an der Erfüllung ihrer Aufgaben hindern, bauen sie diese Moleküle mit den Mechanismen der Autophagie ab. Die „geschredderten“ Bestandteile werden recycelt, die Zellen regenerieren sich.
Sind Zellbestandteile sehr stark geschädigt, kann dieses Abbauprogramm zum Entsorgungsprogramm werden und bis zum Zelltod führen, um nicht andere Zellen und damit das Überleben des aus diesen Zellen bestehenden Organismus zu gefährden.
Autophagie läuft auf einem gewissen Grundniveau kontinuierlich ab. Allerdings scheinen die Autophagie-Mechanismen nicht immer reibungslos zu funktionieren. Sonst dürfte es viele Krankheiten gar nicht geben. Und man müsste langsamer oder idealerweise gar nicht altern. Und tatsächlich kann die Autophagie aus unterschiedlichen Gründen gestört oder – zum Beispiel im Alter – vermindert sein.
In Extrem- oder Stresssituationen, beispielsweise bei schweren Zellschäden, wird die Autophagie von betroffenen Zellen gezielt ausgeweitet. Da liegt es allerdings nahe zu fragen, ob die Autophagie auch durch äußere Einflüsse ebenso gezielt ausgelöst oder verstärkt werden kann, indem man die Zellen „künstlich“ in Extrem- oder Stresssituationen versetzt. Könnte man auf diesem Weg Krankheiten verhindern oder therapieren – oder gar das Altern aufhalten?
Allerdings wird nicht nur die Förderung, sondern auch die Hemmung der Autophagie in Zusammenhang mit Therapien für verschiedene Krankheiten wissenschaftlich untersucht. Denn dass Zellen sich durch Autophagie regenerieren und schützen, muss für einen Organismus nicht immer positiv sein. Schließlich betreiben alle Zellen Autophagie, also auch jene, die einem Organismus schaden können.
Wenn man die vielen populärwissenschaftlich aufbereiteten Berichte zum Thema Autophagie verfolgt, wird man natürlich hellhörig. Recycling in den Zellen? Zellregeneration? Lebensdauer der Zellen verlängern?
In manchen Berichten hört sich das fast schon so an, als sei die „ewige Jugend“ in Reichweite, da man den Prozess der Autophagie gezielt mittels bestimmter Ernährungsweisen oder durch die Zufuhr besonderer Nährstoffe auslösen könne.
Ob und inwieweit so etwas möglich sein könnte, ist tatsächlich Inhalt zahlreicher Studien renommierter Wissenschaftler.
Die Autophagie wird von den Zellen in Extrem- und Stresssituationen gezielt zum Selbstschutz eingesetzt. Damit könnte sich als äußerer Auslöser der Autophagie das Fasten anbieten – schließlich versetzt Hungern die Zellen in eine Extrem- und Stresssituation.
Aus dieser Überlegung heraus hat sich der Trend des „Autophagie-Fastens“ entwickelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei einem Nahrungsverzicht ab 14 Stunden die Autophagie ausgelöst wird und sich positiv auf die Gesundheit auswirkt.
Das hört sich bekannt an – und das ist es auch: Es handelt sich im Grunde um die spezielle Form des Intervallfastens, bei der das Abendessen oder das Frühstück weggelassen wird, wodurch sich ca. 14 bzw. ca. 16 Stunden Fastenzeit ergeben.
Der Unterschied ist: Während beim Intervallfasten der Gewichtsverlust als Ziel im Vordergrund steht, ist es beim Autophagie-Fasten die Erhaltung der Gesundheit. Ob und inwieweit diese Ziele durch Fasten erreichbar sind, ist aber nicht abschließend geklärt.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellt auf ihrer Internetseite verschiedene Formen des Fastens vor und unterzieht sie einer ernährungswissenschaftlichen Bewertung. Unabhängig vom persönlichen Wissensstand sollte allerdings vor jeder Art des Fastens, die über das beliebte „mal was weglassen“ hinaus geht, eine Fachperson, zum Beispiel ein Arzt, zu Rate gezogen werden.
Autophagie könnte aber nicht nur durch Fasten, sondern auch durch Essen angeregt werden. Und ist gar nicht so paradox, wie es zunächst klingen mag.
Für mediales Aufsehen sorgte 2020 eine Studie an der Berliner Charité, an der auch der bekannte Virologe Christian Drosten beteiligt war. Dabei wurde untersucht, welchen Einfluss eine Substanz namens Spermidin auf die Autophagie hat.
Spermidin ist ein biogenes Polyamin und damit ein polykationisches Molekül. Polyamine sind Moleküle, die in allen lebenden Organismen vorkommen und wichtige Funktionen in den Zellen haben.
Spermidin kommt folglich in allen lebenden Organismen vor, kann dem Körper aber auch über die Nahrung zugeführt werden. Und es ist die bislang einzige Substanz, von der bekannt ist, dass sie die Autophagie auslösen kann.
Bekannt ist auch, dass die Spermidinkonzentration im Körper mit zunehmendem Alter abnimmt, was, so der naheliegende Schluss, mit den im Alter nachlassenden Zellfunktionen in Zusammenhang stehen könnte.
Doch ob man einfach durch den Verzehr Spermidin-haltiger Nahrungsmittel die Autophagie anregen und die Zellfunktionen dadurch erhalten kann, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt.
Spermidin in Lebensmitteln
Spermidin ist in Sojabohnen oder Kürbiskernen in nennenswerten Mengen enthalten, und auch Weizenkeime gelten als Spermidin-reich:
„Wer seine Spermidin-Zufuhr verbessern möchte, kann das auf natürliche Weise tun, etwa indem er sich hin und wieder ein paar Weizenkeime ins Müsli gibt“, meinte die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Agnes Flöel, die zu Spermidin forscht, in einem Interview mit apotheken-umschau.de.
Tatsächlich haben Weizenkeime mit 24 mg pro 100 g einen besonders hohen Spermidin-Gehalt. Allerdings wird sich niemand 100 g Weizenkeime ins Müsli oder den Salat geben, nicht zuletzt, weil sie mit 300 bis 350 Kilokalorien pro 100 g sehr nahrhaft sind. Es gibt allerdings auch schon Spermidin-Nahrungsergänzungsmittel.
Zum Thema Autophagie gibt es mittlerweile viele Forschungsergebnisse, die, soweit sie über die hier dargelegten Erkenntnisse hinausgehen, derzeit allerdings (noch) vor allem für Wissenschaftler interessant sein dürften.
Dass Autophagie gezielt ausgelöst werden kann, ist beispielsweise bekannt. Doch ob und wie das der Allgemeinheit zur Gesundheitsförderung dienlich sein mag, muss noch genauer erforscht werden und ist tatsächlich Gegenstand aktueller Forschung.
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