Während der Schwangerschaft und Stillzeit nimmt eine gesunde Ernährung der Mutter eine zentrale Rolle ein, um dem Kind einen optimalen Start ins Leben zu ermöglichen. Diesbezüglich variiert der Nährstoffbedarf nach Trimester und Ernährungsstil. Gleiches gilt für die Zeit nach der Geburt, wenn der Säugling gestillt wird. Um Engpässe in der Ernährung zu umgehen und einen riskanten Nährstoffmangel auszuschließen, müssen einzelne Mikronährstoffe zusätzlich supplementiert werden.
Dr. J. Königbauer: Zunächst möchte ich betonen, dass die Ernährung ein Schlüsselelement in der Schwangerschaft darstellt. Die Ernährung hat einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft sowie die Geburt und auch langfristige Effekte für die Gesundheit von Mutter und Kind. Wichtig dabei ist eine angemessene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, die Aufnahme von frisch zubereiteten gesunden Nahrungsmitteln, der sichere Umgang mit Nahrungsmitteln (gutes Waschen, kein rohes Fleisch, kein roher Fisch), eine adäquate Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen sowie natürlich die Vermeidung von Alkohol und Drogen.
Der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen ist in der Schwangerschaft zum Teil höher und betrifft vor allem Kalzium, Vitamin D, Folsäure, Eisen, Jod, Cholin und Ballaststoffe. Zu beachten ist, dass eine zu hohe Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln auch schädlich sein kann (z.B. Vitamin A oder Jod).
Die WHO empfiehlt die Substitution mit Ergänzungsmitteln, die die wichtigen Vitamine und Mineralstoffe beinhalten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schlägt 400µg Folsäure bei Kinderwunsch oder 800µg pro Tag vor, falls die Substitution erst mit Beginn der Schwangerschaft begonnen wird. Bei Jod sind es 200µg pro Tag. Und bezüglich Eisen und N-3-Fettsäuren sollte die Empfehlung individuell sein, je nach Ernährung (eisenreiche Nahrungsmittel, fettreicher Seefisch).
Dr. J. Königbauer: Auch hier ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig und effektiv. Es sollte auf eine zusätzliche Jodsupplementierung geachtet werden (100µg pro Tag) (Netzwerk Gesund ins Leben). Auch in der Stillzeit kann die Aufnahme von ungesättigten Fettsäuren die Entwicklung des Gehirns bei Säuglingen positiv beeinflussen (DHA trägt zur Erhaltung einer normalen Gehirnfunktion bei). Je nach Ernährung können N-3-Fettsäuren supplementiert werden (Netzwerk Gesund ins Leben). Bei besonderen Ernährungsformen der Stillenden ist eine Beratung bezüglich der geeigneten Ernährung und Supplementierung sicher sinnvoll.
Dr. J. Königbauer: Es gibt Unterschiede in Bezug auf die Ernährungsphysiologie in den drei Trimestern der Schwangerschaft. Im ersten Trimester ändern sich eventuell die Ernährungsgewohnheiten durch Übelkeit und Erbrechen oder durch Abneigung gegen bestimmte Nahrungsmittel. Das erste Trimester ist besonders gekennzeichnet durch die Entwicklung des Embryos und aus diesem Grund ist der Bedarf an Folsäure besonders hoch.
Eine Folsäuresubstitution steht im Zusammenhang mit einem geringeren Auftreten von Neuralrohrdefekten (wenn sich die Wirbelsäule oder die Schädeldecke nicht vollständig formt). Eine Eisensubstitution kann vor allem im dritten Trimester relevant sein, da zu diesem Zeitpunkt viele Schwangere häufig eine Anämie aufweisen (Armut an roten Blutkörperchen). Die Entwicklung der Knochen des ungeborenen Babys spielt vor allem eine wichtige Rolle im dritten Trimester. Aus diesem Grund ist unter anderem die Kalziumaufnahme relevant. Die Energieaufnahme ist im 2. und 3. Trimester durch den steigenden Energiebedarf durch das Baby erhöht. Es ist immer empfehlenswert, eine ausgewogene Ernährung anzustreben. Bei bestimmten Vorerkrankungen oder Mangelzuständen berät Sie Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt.
Dr. J. Königbauer: In Berlin Mitte haben wir viele Frauen aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Im Gespräch mit den Frauen stelle ich da keine spezifischen Besonderheiten fest. Die Empfehlungen zur Ernährung basieren größtenteils auf großen internationalen Studien und sind dadurch auch eher unabhängig.
Dr. J. Königbauer: Beim Ultraschall spreche ich gerne über alltägliche Dinge und wenn es sich anbietet auch über das Thema Ernährung. Die meisten Frauen sind gut informiert und ernähren sich gesund. In der Gestationsdiabetes Sprechstunde ist es ein relevanter Bestandteil, mit den Frauen eine individuelle Ernährungsempfehlung aufzustellen. In dieser Situation probieren wir auch gemeinsam aus, was am besten passt oder bei welchem Nahrungsmittel der Blutzucker stark steigt. Auch die Tageszeit und das Stresslevel sind dabei wichtig.
Dr. J. Königbauer: An erster Stelle steht eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Für manche Frauen ist das nicht selbstverständlich und eine Unterstützung durch regelmäßige Diätberatungen kann helfen. Ich empfehle eine reguläre Substitution von “Schwangerschaftssupplementen”, angepasst an das Schwangerschaftsalter. Bei besonderen Risikosituationen, zum Beispiel bei einer Frau mit Magenbypass oder einer Frau, die bereits ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt hatte, empfehlen wir eine angepasste Ernährung und Substitution.
Dr. J. Königbauer: Ich bin seit 2013 in der Frauenheilkunde tätig und seitdem sind die meisten Aspekte in Bezug auf die Ernährung gleich geblieben. Es sind sicherlich einige Feinheiten wie spezifische schwangerschaftsbasierte Ernährungsempfehlungen hinzugekommen. Wichtig ist sicherlich, immer die Frau individuell zu sehen und sie angemessen zu beraten.
Hinweis: Dieses Interview wurde unentgeltlich geführt, die Expertin hat hierfür keine Bezahlung oder sonstige Gegenleistung erhalten.
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